Autorin: Andrea Pawlik
„Meine Güte, was für ein Stress!“ Das sagt sich leicht. Aber hat jeder Beschäftigte auch wirklich gleich Stress, nur weil sich Arbeit auf seinem Schreibtisch stapelt? „Stress ist etwas, das ungesunden Druck in mir auslöst“, sagt Sozialwissenschaftlerin Anke Brandt aus Kiel, die Berufstätige beim Selbstmanagement coacht. „Wenn viel zu tun ist, ich das aber gut abarbeiten kann, stellt auch ein hohes Pensum kein Problem dar.“ Wird die Arbeit allerdings als Hamsterrad, als Bedrohung empfunden, hat man Stress.
Überforderung ist einer der großen Auslöser für Stress – die tatsächliche ebenso wie die gefühlte („Ich muss immer 100 Prozent geben; ich muss es allen recht machen“). Der andere Auslöser ist die Unterforderung. „Sie tritt dann auf, wenn der Mitarbeiter das Gefühl hat, dass seine Fähigkeiten und Ideen in seinem Job nicht wirklich gefragt sind“, sagt Brandt. „Diese Unzufriedenheit löst ebenfalls Stress aus.“ Viel hängt von der individuellen Perspektive ab: Einen engen Zeitrahmen sieht der eine als Herausforderung, ein anderer verzweifelt darüber mit dem Gefühl: „Das schaffe ich nie!“
„An dieser Stelle kommt das Selbstmanagement ins Spiel“, sagt Kommunikationstrainerin Brandt. Schritt eins: „Schärfen Sie Ihre Wahrnehmung für die eigenen Stärken.“ Viele Menschen könnten leichter ihre Schwächen nennen als ihre Stärken, hat sie festgestellt. „Dabei beinhaltet jede Schwäche gleichzeitig eine Stärke. Wer zum Beispiel Schusseligkeit für seine Schwäche hält, kann im Gegenzug meist mit Kreativität punkten.“ Schließlich müsse er immer wieder Lösungen finden, wenn seine Vergesslichkeit ihn in eine vertrackte Situation gebracht hat.
Als zweiten Schritt rät Führungscoach Anke Brandt: „Schreiben Sie auf: Was sind die Situationen im Job, die mir guttun? Welche tun mir nicht gut?“ Auf diesen Notizen basiert Schritt drei. Brandt: „Fragen Sie sich, was Sie verändern möchten.“ In ihren Coachings hört die Trainerin oft: „Ich will meinen Job wechseln! „Doch das ist meistens ein viel zu großer Schritt.“ Und sei oft auch gar nicht möglich. „Was ist es denn genau, das Ihnen nicht an der Arbeit gefällt?“, hakt sie dann nach. „Was raubt Ihnen die Energie? Und was wäre ein realistischer kleiner Schritt in die richtige Richtung?“
Die sprichwörtliche Latte sollten Beschäftigte dabei nicht zu hoch legen. „Fangen Sie mit kleinen Veränderungen an. Zum Beispiel, indem Sie sich kleine Auszeiten gönnen – etwa eine Tasse Kaffee, wenn eine Aufgabe erledigt ist“, rät Brandt. „Oder indem Sie abends ein paar Seiten in einem Buch lesen, statt nur Fernsehen zu gucken.“
Um zu einer positiveren Einstellung zu gelangen, sollten Beschäftigte sich jeden Abend vor Augen führen, was an ihrem Arbeitstag gut war. „Das kann ebenso ein spezielles Gespräch mit einem Kollegen wie auch ein kleiner Spaziergang auf dem Arbeitsweg sein“, sagt Anke Brandt. „Es geht darum, achtsam sich selbst gegenüber zu werden.“
Bleibt noch der innere Schweinehund, der einen überreden will, alles beim Alten zu lassen. „Suchen Sie sich Verbündete, die sich ebenso darum bemühen, Ihren Stress zu reduzieren – und bei denen Sie hin und wieder bedenkenlos Dampf ablassen können.“ Der Lohn für die Suche nach den eigenen Stärken und das Bemühen um eine positive Sicht: „Das Wohlbefinden wächst, es wird immer mehr Situationen geben, in denen ich mich unbelastet fühle“, sagt Anke Brandt. „Das sollte ich mir immer wieder vor Augen führen, um durchzuhalten.“ Denn ohne Mühen wird es nicht gehen: „Veränderung bedeutet immer auch Anstrengung.“
Quelle: http://www.abendblatt.de/wirtschaft/karriere/article2294278/Achtsam-gegen-den-Stress.html