Die Zahl der Burnout-Opfer unter Managern wächst rasant. Die Krankheit ist auch eine Folge schlechter Führung. Jetzt zeigt eine Umfrage: Gerade die Leistungsträger fühlen sich bei der Prävention von Unternehmen und Vorgesetzten im Stich gelassen.
Obwohl die Erkrankungszahlen steigen und allein etwa im ersten Halbjahr 2011 jede siebte Krankmeldung auf Burnout oder Depression basierte, wird das Leiden in der Business-Welt überwiegend als Nicht-Thema begriffen. Kaum ein Top-Manager bekennt sich öffentlich zum Ausgebranntsein; allein, dass im Zusammenhang mit der Ablösung von Hartmut Ostrowski als Bertelsmann-Chef das böse B-Wort fiel, schien vielen schon eine hinterhältige Attacke auf den Business-Komment. In der aktuellen Titelgeschichte untersucht das manager magazin, welche Konzerne ihre Mitarbeiter krank machen.
Wenig zu sehen also vom beliebten Vorurteil, der Burnout sei unter Managern salonfähig geworden, gelte mancherorts gar als „Ritterschlag“, nach dem Motto: Wer ausgebrannt ist, demonstriert immerhin, dass er wirklich gebrannt hat für den Job.
Gleichgültig aber lässt die Wirtschaftslenker das Thema nicht – im Gegenteil. Gerade Führungskräften ist bewusst, dass ihr Agieren in einer immer dynamischeren und komplexeren Welt, in immer schlankeren Strukturen und mit immer größerem Verantwortungsdruck, sie besonders anfällig macht für die Symptomatik der chronischen Erschöpfung. Dies belegt eindrucksvoll eine Studie des Deutschen Führungskräfteverbands (ULA): Die rund 360 befragten Fach- und Führungskräfte betrachten den Burnout nicht als Modediagnose, sondern als ernst zu nehmendes Risiko.
So geben mehr als drei Viertel der Befragten an, die Häufigkeit beruflich bedingter Burnouts habe in ihrem Umfeld in letzter Zeit zugenommen. Nur gut jeder Dritte ist der Meinung, die Diskussion sei „übertrieben“ oder „überbewertet“. Doch führen diese Erkenntnisse nicht zu einem offeneren Umgang mit der Krankheit: Stolze 87 Prozent stimmen der Aussage zu, dass Fach- und Führungskräfte eher dazu neigen, das Burnout-Risiko zu unterschätzen oder zu verharmlosen.
Die Brisanz der Umfrage liegt in der Frage nach den Faktoren, die nach Meinung von Fach- und Führungskräften den Burnout begünstigen: Ganz oben stehen, das mag noch wenig überraschen, „wachsende Arbeitsverdichtung“ und „Termindruck“. Doch gleich darauf folgt „fehlende menschliche und soziale Anerkennung durch Vorgesetzte“ – dies halten die Befragten für deutlich gravierender als etwa „fehlende fachliche Anerkennung“.
Angst um den Arbeitsplatz, mangelnde Identifikation mit dem Job sowie „gefühlte oder tatsächliche Unterbezahlung“ dagegen werden nur von wenigen Befragten als relevante Ursache für chronische Erschöpfung angesehen. Ganz am Schluss der Liste landen übrigens ethische Bedenken gegen die beruflichen Aufgaben.
Die Einschätzungen untermauern, was Arbeitsmediziner und Organisationspsychologen seit Langem vermuten: Die Zunahme der Burnout-Erkrankungen ist auch eine Folge schlechter Führung. Nicht Arbeit als solche macht krank, auch nicht in verdichteter oder flexibilisierter Form, sondern ihre schlechte Organisation. Denn Termindruck, Sparvorgaben und permanenter Effizienzsteigerung können weder Unternehmen (die im globalen Wettbewerb stehen) noch einzelne Führungskräfte (die selbst am Erfolg ihrer Firma ein ureigenes Interesse haben) etwas entgegensetzen.
Was sich aber ändern lässt und zudem deutliche Effekte für die Zufriedenheit im Job und damit direkt für die Zahl der Burnout-Erkrankungen haben dürfte, ist die Kultur eines Unternehmens. Insbesondere die Führungskultur. Die Frage also, wie Arbeit verteilt, wie strategische Ziele kommuniziert und wie Leistung bewertet wird. Die Antworten der befragten Fach- und Führungskräfte weisen die Richtung, in die es gehen könnte: Gefordert werden vor allem ein „wertschätzender Führungsstil“, aktives Feedback und eine starke Autonomie in der Erfüllung der eigenen Aufgaben.
Zwar stehen sich die Manager durchaus in der Pflicht zur Prophylaxe: 97 Prozent sehen sich selbst für ihre Gesundheit verantwortlich, mehr noch als Vorgesetzte und Arbeitgeber. Eine bessere Führungs- und Firmenkultur könnte dabei helfen – doch die Hoffnung darauf haben die Meisten offensichtlich bereits aufgegeben.
Denn was die Prävention von Burnouts, aber auch das Verhältnis von Vorgesetzten zu Mitarbeitern angeht, stellen die Befragten ihren Unternehmen durchgehend sehr mäßige Urteile aus. Abgetragen auf der Skala der Schulnoten liegen die Einschätzungen überwiegend im Bereich zwischen „Befriedigend“ und „Ausreichend“.
So wird das Bewusstsein der Unternehmensleitung über die Grenzen der Belastbarkeit von Fach- und Führungskräften im Schnitt mit 3,7 bewertet; das Bewusstsein des Vorgesetzten für die persönlichen Belastungsgrenzen mit 3,2. Selbst Bereiche, in denen zahlreiche Unternehmen in den vergangenen Jahren mit Seminaren, Check-Ups und Prophylaxe-Broschüren mächtig aufgestockt haben, fallen in der Bewertung durch: Sowohl Quantität als auch Qualität betrieblicher Präventionsangebote wie etwa das Gesundheitsmanagement bekommen die Note 3,5 – eine ganz schwache Drei oder eine gute Vier. Solange sich hier nichts tut, wird die Zahl der Erschöpften weiter steigen.
Achtsamkeit heißt die Zauberformel der Psychotherapeuten gegen den Burnout. Sie verstehen darunter eine bewusstes In-Sich-Hineinhorchen auf körperliche, seelische und geistige Signale der Erschöpfung, das sorfältige Beobachten der eigenen Arbeitsumgebung und -belastung. Die häufigsten Symptome der Überforderung sind Schlafprobleme, Konzentrationsstörungen, starke Stimmungsschwankungen und ausbleibende Freude an der Arbeit, an Erfolgen.
Zweites Standbein für das Vermeiden von Burnout ist der bewusste und konsequente Bezug auf die eigenen Werte und Einstellungen. „Sich selbst in den Mittelpunkt des eigenen Lebens stellen“, nennt dies ein Betroffener: „auch und gerade imBeruf.“ Dort heißt es dann oft, Fremdbestimmungen zurückzuweisen. Auch jene der Chefs, die gern überall und permanent über ihre Mitarbeiter und deren Einsatz verfügen. In solchen Situationen geht es darum, ebenso diplomatisch wie deutlich nein zu sagen – und dieses Nein dann auch durchzusetzen.
Dies gelingt nur, wenn im Gegenzug auch die eigenen Ansprüche an die zu erbringenden Leistungen reduziert werden. Burnout-Patienten sind oft Perfektionisten. Den Burnout vermeidet jedoch, wer sich auch mit dem eigenen Mittelmaß oder gar mit Fehlern abfindet.
Schließlich helfen Rituale: „Ein heiliger Termin pro Woche, der unumstößlich genutzt wird für persönliche Erfüllung, für den Spaß am Leben, für sinnliche Genüsse“, wie es Burnout-Spezialist Hans-Peter Unger ausdrückt. Also feste Zeiten für Sport, Theater-, Kino- oder Konzertbesuche, für Ausflüge mit der Familie, für geselliges Essen und Trinken.
Quelle: http://www.manager-magazin.de/unternehmen/karriere/0,2828,835045,00.html